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Piercing (von engl. to pierce [pɪəs], „durchbohren, durchstechen“ über altfrz. percier und lat. pertundere, „durchstoßen, durchbrechen“) ist eine Form der Körpergestaltung, bei der Ringe oder Stäbe an verschiedenen Stellen des menschlichen Körpers als Schmuck durch die Haut und das darunter liegende Fett- oder Knorpelgewebe gezogen werden.
Mursi-Frau mit ausgezogenen Lippen- und Ohrläppchentellern
Während es sich bei einigen Oberflächenpiercings wie dem Korsett-Piercing oder dem Madison-Piercing um eine Neuerscheinung der späten 1990er Jahre handelt, wurden die meisten Piercings bereits seit Jahrtausenden von zahlreichen Kulturen und Ethnien praktiziert, bevor sie sich in der westlichen Welt als Schmuck etablierten.
Dabei handelt es sich neben der schmückenden Funktion meist um die Abgrenzung zu anderen Völkergruppen, um spirituelle Rituale oder die symbolische Darstellung und Zelebrierung eines Veränderungsprozesses der Reife oder des gesellschatlichen Status.
Inderin mit Ohren- und Nasenstecker
Bei den Ureinwohnern Amerikas, Afrikas und Asiens sind Piercings in den Ohrläppchen, den Nasenflügeln und der Nasenscheidewand, den Lippen und den Genitalien überliefert. Der Schmuck dieser Kulturen wurde aus Holz, Quarz, Perlmutt, Ton, Horn und Knochen und einfachen Metallen gefertigt. Erste Ohrlöcher sind in Ägypten etwa 4.500 v. Chr. nachweisbar. Die Totenmaske des altägyptischen Pharao Tutanchamun zeigt diesen mit geweiteten Ohrlöchern. Auch bei Buddha-Statuen oder Relikten der Azteken werden vergrößerte Ohrlöcher dargestellt.
Bei den Mursi im Süden Äthiopiens gehören durchstochene oder eingeschnittene und besonders weit gedehnte Piercings in den Lippen und Ohrläppchen zum Schönheitsideal. Je größer der Teller ist, desto mehr Ansehen erhält die Frau. Heute dient der ausgefallene Schmuck auch bewusst als Touristenattraktion.[1]
In Indien tragen viele Frauen traditionell Stecker in den Ohrläppchen und dem Nasenflügel. Im Hinduismus werden Kindern im Rahmen des Karnavedha-Rituals Ohrlöcher gestochen, um sie vor Krankheiten zu schützen.
In der thailändischen Stadt Phuket findet seit 1825 jährlich während der ersten neun Tage des neunten Monats des chinesischen Kalenders das Vegetarian Festival statt, bei dem sich zahlreiche Teilnehmer im Rahmen einer Götterbeschwörung in Trancezustände versetzen und sich während einer Prozession verschiedenste Dinge wie Schwerter, Äste, Eisenstangen oder Alltagsgegenstände mit teilweise sehr großen Durchmessern durch Wangen, Zunge oder andere Körperstellen stechen. Dabei fungieren sie als Medium der neun Schutzgeister und werden während des Rituals als Besessene derer betrachtet.[2]
Beim sogenannten Sonnentanz handelt es sich um eine Zeremonie verschiedener Indianerstämme der amerikanischen Prärie und Plains, bei dem sich die Tänzer die Haut an Brust oder Rücken durchstechen und mit Schnüren verbundene Holzpflöcke hindurchführen. Die Schnüre werden an einen Baum gebunden, um den die Tänzer vier Tage lang von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ohne Schatten, Nahrung und Wasser tanzen zu lassen. Heute wurde diese Tradition von der Bewegung der Modern Primitives unter der Bezeichnung Body-Suspension erneut aufgegriffen.
Geschichte des modernen Piercings
Bereits in den 1950er und 1960er Jahren experimentierte Fakir Musafar als Pionier intensiv mit Körpermodifikationen älterer Kulturen, um dabei spirituelle Erfahrungen zu sammeln. Der mit ihm in Kontakt stehende Amerikaner Doug Malloy etablierte das Bodypiercing kurz darauf in einem kleineren Kreis der Homosexuellen- und Fetischszene. Ohrlöcher waren bis Anfang der 1970er Jahre im westlichen Kulturkreis nur bei Frauen akzeptiert und wurden meist selber oder vom Juwelier gestochen. Zwar gab es mit The Gauntlet [3] in Los Angeles schon 1975 den ersten modernen Piercing-Shop, die Verbreitung dieser Mode begann aber erst in den 1980er Jahren in Kalifornien, als die Bewegung der Modern Primitives entstand. Dabei wurden bewusst die bei Naturvölkern verbreiteten Bräuche aufgenommen, um den eigenen Körper zu verändern (Body Modification): Dazu gehörten vor allem Tätowierungen, Piercings oder Narbenbildungen (Scarification), später auch das Branding.
Noch zu Beginn der 1990er Jahre blieb das Piercing überwiegend auf die Punk- und BDSM-Szene beschränkt. Von da aus breitete es sich im Lauf weniger Jahre aus und ist heute als Schmuck, abgesehen von den Konventionen einiger Berufszweige, beinahe allgemein akzeptiert. Die Brasilianerin Elaine Davidson gilt mit über 2.500 Piercings laut Guinness-Buch der Rekorde als weltweit meistgepiercte Frau.
Mit der zunehmenden Verbreitung begannen auch viele unerfahrene Piercer das Handwerk, worauf im Jahr 1994 die Association of Professional Piercers (APP) gegründet wurde, die es sich zur Aufgabe macht, Mindeststandards für das Gewerbe festzulegen.[4] Mittlerweile existieren weitere Berufsverbände wie die 2006 gegründete European Association for Professional Piercing (EAPP). [5]
Stechen
Die zu piercende Körperstelle wird zunächst desinfiziert, um Infektionen zu vermeiden. Der Ein- und Austrittspunkt des Stichkanals wird üblicherweise zunächst mit einem Stift markiert und anschließend mit einer Zange fixiert. Diese weist am Kopf zwei ringförmige Klemmen auf, durch welche die Piercingnadel auf der markierten Stelle angesetzt und hindurchgeführt werden kann. Meistens werden Piercings mit einer Venenverweilkanüle gestochen. Hierbei ist die Nadel durch einen Plastik- oder Teflonüberzug geschützt. Nachdem die Nadel durch die Haut gestochen wurde, wird sie entfernt. Lediglich der Überzug verbleibt in dem Stichkanal. Mit Hilfe dieses Überzuges wird der Schmuck durch den Stichkanal gezogen.
Bei Ohren- oder Nostril-Piercings wird meistens die Ohrlochpistole angewendet. Dabei besteht die Gefahr, dass das Gewebe einreißt oder an Knorpelstellen splittert, außerdem ist die Pistole nicht vollständig sterilisierbar. Zudem sind die hierbei verwendeten Ohrstecker für den Ersteinsatz ungeeignet.
Eine weitere Methode ist der sogenannte Dermal Punch. Dabei werden Gewebeteile mit einer Hohlnadel bis zu einem Durchmesser von 8 Millimetern herausgestanzt. Dies wird vor allem angewendet, um größeren Schmuck in Knorpelgewebe einsetzten zu können. Weil hierbei Gewebe komplett entfernt und nicht verdrängt wird, heilen gepunchte Piercings besser, da der Schmuck weniger Druck ausübt.
Heilungsprozess
Da die Wunde eines neuen Piercings vom eingesetzten Schmuck offen gehalten wird, bildet sich während der Heilungsphase von außen nach innen ein Hautschlauch entlang des Stichkanals, der den Schmuck umschließt. Dabei wird zunächst nach der Gerinnung eventueller Blutungen die Durchblutung im umliegenden Gewebe gefördert, was in der ersten bis zweiten Woche häufig zu Rötung, Schwellung und Erwärmung führt. Blutgerinnsel werden durch abgesonderte Wundflüssigkeit herausgespült. Bei einer Infektion kann es zum Austreten von bakterienbekämpfenden Leukozyten kommen.
Die Dauer des Heilungsprozesses ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie Schmuckmaterial, Hygiene, Pflege und der durchstochenen Körperstelle. Während gut durchblutete Schleimhäute und Intimpiercings mit regelmäßigem Kontakt zu Eigenurin vorteilhafter verheilen, gestaltet sich der Prozess bei Knorpelgewebe langwieriger, da Knorpel keine eigenen Blutgefäße besitzt, sondern von der darüberliegenden Haut mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird.
Ein Problemfaktor stellt die Reizung durch regelmäßige Bewegung oder Reibung dar, wonach sich zum Beispiel der Heilungsprozess eines Bauchnabelpiercings mit permanentem Kontakt zum Hosenbund oder ein Handweb zwischen den Fingern als besonders problematisch gestalten kann. Wird der Schmuck innerhalb der ersten Wochen nach dem Stechen gewechselt, kann der Heilprozess dadurch ebenfalls negativ beeinflusst werden und die Infektionsgefahr steigen.
Die folgende Tabelle enthält Richtwerte für die Dauer des Heilungsprozesses bei den verschiedenen Piercings:[6]
Mögliche Gefahren
Die Einnahme von Koffein oder Alkohol und anderer Drogen, sowie blutverdünnender Medikamente vor dem Stechen kann den Kreislauf und die Blutgerinnung beeinträchtigen.
Wird das Piercing nicht fachgerecht vorgenommen, kann es zu verschiedenen Komplikationen kommen. Bei allen Formen des Piercings kann es zu lokalen Schwellungen kommen, die meist nach einer Weile abklingen. Piercings durch den Ohrknorpel führen leicht zu Entzündungen. Beim Augenbrauenpiercing und beim Nasenflügelpiercing können Ausläufer des Trigeminusnervs getroffen werden. Piercings im Dammbereich können bedingt durch längeres Sitzen zu dauerhaften Entzündungen führen.
Piercingschaden an den mittleren unteren Frontzähnen
Piercings im Mundbereich (Zunge, Lippe, Lippenbändchen) bergen ein hohes langfristiges Gefahrenpotential für Zähne und Zahnhalteapparat. Der Schmuckknopf eines Zungenpiercings führt relativ häufig zu Traumatisierung der zungenwärts gelegenen Zahnhöcker, was zu Zahnfrakturen und Absterben des Zahnmarkes führen kann. Die innen gelegene Konterplatte von Lippenpiercings drückt bei ungünstiger Lokalisation bei jeder mimischen Bewegung auf das Zahnfleisch und den darunter liegenden sehr dünnen Alveolarknochen. Da Knochen auf Druckbelastung schwinden, kann es so zu Zahnlockerungen bis hin zum Zahnverlust kommen. Ähnliches gilt für Piercings des Lippenbändchens.
Ein nicht vollständig abgeheiltes Intimpiercing erhöht, wie auch jede andere offene Wunde im Genitalbereich, die Gefahr einer Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten, z. B. Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV. Beim Prinz-Albert-Piercing wird der Ring durch den Ausgang der Harnröhre zur unteren Seite der Eichel des Penis gezogen. Zu dünne Ringe bis ca. 2 mm Materialstärke bergen die Gefahr des „Käseschneidereffekts“: bei mechanischer Belastung kann der Schmuck durch das Gewebe schneiden; das Piercing reißt aus, was zu einer Subinzision führt. Bei ausreichender Materialstärke kann ein PA allerdings recht belastbar sein. Bei zu engen Ringen kann es zu Quetschungen kommen.
Bei Temperaturen unter −10°C kann es bei offen getragenen Piercings aus Metallschmuck zu Erfrierungen kommen, da Metall sehr kalt werden kann und Wärme besser ableitet als organisches Gewebe.
Schmuck und Materialien
Piercingschmuckvariation
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Zum Einsatz werden vorzugsweise verschraubbare Barbells (Stäbe mit zwei verschraubten Kugeln an den Enden) oder Ball Closure Ringe mit Klemmkugel verwendet. Diese sind in verschiedenen Durchmessern und Materialstärken erhältlich. Normalerweise wird ein Piercing mit einer Drahtstärke von 1,6 Millimetern gestochen.
Geeignet ist 750er Gold, Platin, Niob, Titan, PTFE oder medizinischer Edelstahl. Seit kurzem darf auch wieder 316L-Implantatstahl für den Ersteinsatz verwendet werden. Renommierte Piercing-Studios mit langjähriger Erfahrung verwenden ausschließlich Ringe oder Stecker aus G23-Titanium oder 316L-Implantatstahl für den Ersteinsatz. Darüber hinaus ist jedoch auch Schmuck aus zahlreichen weiteren Materialien wie Glas und Plastik oder organischen Materialien wie Holz und Horn erhältlich.
Piercingarten
Verschiedene Ohrpiercings
Ohrpiercings
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Mit einem Ohrloch ist meist das Piercing durch das Ohrläppchen gemeint (9), jedoch kann im Ohr an zahlreichen weiteren Stellen in der Ohrmuschel Piercingschmuck angebracht werden, wobei dann häufig kleinere Ball-Closure-Ringe eingesetzt werden. Diese Piercings ziehen meist einen längerwierigen Heilungsprozess mit sich.
Der Conch (7) sitzt direkt in der inneren oder äußeren Ohrmuschel. Selten sieht man an dieser Stelle auch ein durch Dermal Punch herausgestanztes Loch mit größerem Durchmesser.
Das Helix (1) verläuft durch das Knorpelgewebe der Ohrkante und gehört zu den häufigsten Piercings in der Ohrmuschel.
Als Industrial (2) werden zwei gegenüberliegende Helix-Piercings verstanden, die mit einem Barbell verbunden sind.
Im Anti-Helix kann das Rook (3) gestochen werden.
Der Daith (4) wird durch die waagerechte Auswölbung in der Ohrmuschel gestochen und ist bedingt durch die geringe Größe der Stelle etwas schwieriger zu stechen.
Das Tragus-Piercing (5) führt durch den Knorpelfortsatz am Eingang des Gehörkanals. An dieser Stelle ist das Knorpelgewebe dünner als beim Conch, wird jedoch aufgrund der sehr kleinen und engen Stelle beim Stechen und besonders beim Einsatz des Piercingschmucks stärker belastet.
Das Anti-Tragus-Piercing (8) befindet sich entsprechend an dem dem Tragus gegenüberliegenden Knorpelfortsatz.
Das Snug verläuft durch die innere Knorpelauswölbung parallel zur Ohrkante.
Gesichtspiercings
Labret-Piercing
In den 1990er Jahren wurden besonders das Augenbrauenpiercing und das Labret-Piercing populär. Bei ersterem handelt es sich um ein Oberflächenpiercing, wobei es bei entsprechender Position und Schmuckwahl geringfügiger unter Spannung als klassische andere Oberflächenpiercings steht.
Das Labret-Piercing wird meist zentriert mit einem Labret-Pin unterhalb der Lippe getragen. Verläuft der Stichkanal senkrecht und tritt aus dem Lippenrot aus, spricht man auch von einem Eskimo. In alternativeren Kreisen ist häufiger ein seitlich durch die Unterlippe gestochener Ring zu finden.
Analog zum klassischen Labret-Piercing handelt es sich bei einem Medusa-Piercing um einen zentrierten Stecker über der Oberlippe.
Das Madonna-Piercing wird meist von Frauen getragen und ist seitlich oberhalb der Oberlippe positioniert. Optisch erinnert es an ein aufgemaltes Muttermal wie es beispielsweise von Madonna oder Marilyn Monroe getragen wurde.
Im Mund ist das senkrecht gestochene Zungenpiercing am populärsten.
Nostril-, Madonna und Septumpiercing
Mehrere spezielle Piercings sind auch an der Nase möglich. Vor allem etabliert hat sich dabei das Nostril-Piercing durch den Nasenflügel, das auch meist gemeint ist, wenn von einem „Nasenring“ die Rede ist. Von der Hippie-Kultur wurde es erstmals aus Indien in den westlichen Kulturkreis übernommen.
In der Piercingszene ist jedoch das Septum-Piercing durch die Nasenscheidewand populärer. Es kann sowohl durch das Knorpelgewebe gestochen werden als auch unterhalb dessen verlaufen.
Zu den seltenen Varianten gehören der Nasallang, bei dem ein Barbell sowohl durch beide Nasenflügel als auch die Nasenscheidewand führt, und der Austin Bar durch die Knorpelkappe auf der Nasenspitze.
Der sogenannte Erl verläuft durch den Nasenrücken, sitzt meist waagerecht zwischen den Augen und muss aufgrund der dort verlaufenden Gesichtsnerven besonders vorsichtig gestochen werden.
Körper
Brustwarzenpiercing
Neben den Piercings im Gesichts- und Intimbereich zählt das Bauchnabelpiercing zu den meistgetragenen Piercingvarianten und ist im westlichen Kulturkreis weitestgehend gesellschaftlich akzeptiert. Es kann am oberen, aber auch am unteren Rand des Bauchnabels gestochen werden, wobei erstere Variante wesentlich häufiger bevorzugt wird.
Sowohl als Schmuckpiercing als auch zur sexuellen Stimulation wird mittlerweile auch das Brustwarzenpiercing relativ häufig getragen.
Oberflächenpiercings wie das Madison-Piercing in der Drosselgrube, das Hüftpiercing schräg am Becken in der Nähe der Hüftknochen, sowie das Handweb zwischen den Fingern sind aufgrund der problematischen Beschaffenheit der entsprechenden Körperstellen eher selten; das Handweb vor allem wegen der eingeschränkten Funktionalität der Hände. Das Korsett-Piercing auf dem Rücken besteht aus mehreren symmetrisch angeordneten Piercingreihen, wird jedoch meist nur als temporäres Kunstpiercing gestochen.
Intimpiercings
Im Genitalbereich sind sowohl bei Männern als auch Frauen zahlreiche Piercingvariationen möglich. Im erweiterten Sinne kann auch das Brustwarzenpiercing aufgrund der erogenen Stelle zu den Intimpiercings gezählt werden.
Das relativ seltene Anuspiercing oder auch das Guiche und Fourchette-Piercing im Dammbereich können von Frauen und Männern getragen werden.
Intimpiercings bei Männern
Prinz Albert und Frenulumpiercing
Zu den populärsten männlichen Intimpiercings gehört der Prinz Albert (PA). Er verläuft von der Harnröhre ausgehend durch die untere Peniswand und wird wegen des erhöhten Tragekomforts meist mit dickerer Materialstärke getragen.
Der Ampallang verläuft horizontal, also quer durch die Eichel. Analog dazu sitzt der Apadravya vertikal. Die kreuzweise Kombination beider wird als Magic Cross bezeichnet. Der Reverse Prinz Albert (auch: Queen Victoria) verläuft wie ein gewöhnlicher PA durch die Harnröhre, tritt jedoch oben aus die Eichel heraus und bildet somit quasi einen „halben Apadravya“.
Ein Dydoe sitzt im Eichelrand. Während bei den anderen Piercings der Heilungsprozess durch Urinkontakt gefördert wird, gestaltet er sich hierbei etwas langwieriger.
Das Frenulumpiercing verläuft durch das Vorhautbändchen und gehört zu den unkompliziertesten männlichen Intimpiercings. Das Weiten dieses Piercings, um Schmuck mit höherer Drahtstärke einzusetzen, gestaltet sich besonders einfach und erhöht auch hier den Tragekomfort.
Das Pubic im Bereich oberhalb der Peniswurzel gehört zu den Oberflächenpiercings.
Ein Oetan sitzt in der Vorhaut. Es kann an beliebiger Stelle angebracht werden und wird meist mit einem Ball-Closure-Ring getragen.
Piercings am vorderen Bereich des Hodensacks werden Hafada oder Scrotal genannt und gehören bezüglich Heilung und Pflege ebenfalls zu den unkomplizierten Intimpiercings. Ein Transscrotal-Piercing bezeichnet dagegen ein Piercing, bei dem der Stichkanal von der Vorder- bis zur Rückseite den gesamten Hodensack durchläuft.
Intimpiercings bei Frauen
Häufige Form des weiblichen Intimpiercings ist das Schamlippenpiercing. Dabei wird zwischen Piercings in den inneren und den äußeren Schamlippen unterschieden, die jeweils anderen Umständen bezüglich Durchführung und Heilung ausgesetzt sind.
Ein zentriertes, senkrechtes Piercing am unteren Ende der inneren Schamlippen wird Fourchette genannt.
Bei dem Christina-Piercing handelt es sich um ein Oberflächenpiercing, das vertikal in der Falte gestochen wird, an der die äußeren Schamlippen oben zusammenlaufen.
Das untere Ende des Nefertiti-Piercing endet ähnlich dem Klitorisvorhautpiercing unter der Klitorishautfalte. Es verläuft durch Klitorisvorhaut und Venushügel.
Analog zum Prinz Albert beim Mann verläuft das Piercing mit der Bezeichnung Prinzessin Albertina von der Harnröhrenöffnung zur Vaginalöffnung.
Das empfindlichste weibliche Intimpiercing stellt das Klitorispiercing dar. Aufgrund vieler Nervenenden ist es in der Druchführung besonders schmerzhaft. Es kann sowohl horizontal als auch vertikal durch die Klitoris gestochen werden und ist nicht zu verwechseln mit dem Klitorisvorhautpiercing.
Das Isabella-Piercing wird vertikal unter der Klitoris platziert, ein Triangle dagegen horizontal. In beiden Varianten handelt es sich um sehr tief gestochene Piercings.
Variationen
Gedehnte Piercings
Um Schmuck mit größerem Durchmesser einzusetzen, kann ein Piercing vorsichtig geweitet werden. Diese Praxis ist vor allem vom Lobe-Piercing bekannt. Dabei wird meist ein konisch verlaufender Dehnungsstift verwendet, der zuvor mit Gleitgel bestrichen und vorsichtig in den Stichkanal eingeführt wird. Der Schmuck mit größerem Durchmesser wird anschließend am Ende des Dehnungsstiftes angesetzt und hinterhergeschoben.
Oberflächenpiercings
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Bei einem Oberflächenpiercing handelt es sich um ein Piercing, bei dem sowohl Einstich- als auch Austrittskanal auf einer Ebene liegen. Diese stehen meist unter Spannung und werden häufiger vom Körper abgestoßen als andere Piercings. Beim Korsett-Piercing werden beispielsweise mehrere Oberflächenpiercings kunstvoll in mindestens zwei Reihen auf dem Rücken angebracht.
Play-Piercings
Vor allem im Bereich BDSM ist das kurzzeitige Anbringen sogenannter Play-Piercings verbreitet. Hierbei werden Nadeln (Akupunkturnadeln oder dünne Braunülen) am Körper des Bottom gesetzt, die nach dem Ende des Spiels wieder entfernt werden. Mitunter werden an den so mit dem Körper verbundenen Elementen dünne Ketten oder Fäden befestigt, um diese miteinander zu verbinden und so den Körper im Rahmen einer Bondage in einer definierten Haltung zu fixieren. Das Verletzungsrisiko ist hierbei durch ein mögliches ungewolltes Ausreißen der Piercings hoch. Oft werden auch an Körperpiercings leichte Gewichte befestigt, die die Bewegungen des gepiercten Bottoms in Schmerzreize umsetzen. Intimpiercings sind in der BDSM-Subkultur ebenfalls sehr verbreitet.
Anordnung
Je nachdem, wie mehrere Piercings miteinander kombiniert oder angeordnet werden, spricht man von einem Orbital oder einem Venom-Piercing.
Bei einem Orbital werden zwei Piercings mit einem Ring verbunden. So kann beispielsweise ein Ring durch zwei gegenüberliegende Vorhautpiercings geführt werden. Analog zeichnet sich das Industrial-Piercing dadurch aus, dass ein Barbell durch zwei Helix-Piercings verläuft, sowie der Nasallang der durch beide Nasenflügel und die Nasenscheidewand führt.
Bei der Anordnung mehrerer symmetrisch verlaufender Piercings in Zunge oder Lippe oder entlang des Ohrrandes oder der Labien handelt es sich um Venom-Piercings.
Rechtliches Gepierct werden darf, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, bzw. Minderjährige mit Einverständnis des Erziehungsberechtigten. Wer Minderjährige ohne Einverständniserklärung des Erziehungsberechtigten pierct, macht sich nicht strafbar, denn auch der Minderjährige kann eine wirksame Erklärung gemäß § 228 StGB abgeben. Für diese Erklärung ist die Geschäftsfähigkeit nicht erforderlich.
Der Piercingvorgang ist rechtlich gesehen eine strafbare Körperverletzung. Deshalb muss der Klient in der Regel vor dem Piercen eine schriftliche Einverständniserklärung abgeben, die den Piercer vor rechtlichen Folgen diesbezüglich befreit.
Der Piercer hat Beratungspflicht. Weist der Piercer nicht auf mögliche Folgen des Piercings, insbesondere etwaige Entzündungen oder Nervenschädigungen hin, kann dieser belangt werden. In einem Fall, bei dem bei einer Klientin die Teilamputation der Zunge drohte, wurde der Piercer zu 300 Euro Schmerzensgeld verurteilt. (AG Neubrandenburg, AZ 18 C 160/00)
Das Piercen befindet sich aus gesetzlicher Sicht in einer Grauzone. Wer Piercings vornehmen darf und wer nicht, ist nicht klar definiert. Das VG Gießen kam mit Urteil vom 9. Februar 1999 (AZ 8 G 2161/98) zu dem Schluss, dass der Piercingvorgang, gleichgültig, ob dabei lokale Anästhesie eingesetzt wird oder nicht, ausschließlich von Personen mit entsprechendem Fachwissen durchgeführt werden darf. So sei mindestens eine Ausbildung zum Heilpraktiker nötig, um Piercings setzen zu dürfen.
Oben genanntes Urteil wurde in nächster Instanz vom VGH Hessen mit Urteil vom 2. Februar 2000 (AZ AZ 8 TG 713/99) insofern bestätigt, dass zumindest für das Piercen mit lokaler Anästhesie mittels Injektion eines Betäubungsmittels, Personal mit entsprechender Kompetenz (Heilpraktiker, Arzt) vorausgesetzt wird.
EU-Nickelrichtlinie
Laut der Nickelrichtlinie (94/27) der EU darf für den Ersteinatz kein Schmuck verwendet werden, dessen Nickelfreisetzung fünf Nanogramm pro Quadratmeter und Woche durch Abrieb übersteigt. Demzufolge geeignet sind Edelstahl (316L), Titan, Niob und PTFE.
In der Richtlinie von 30. Juni 1994 blieb zunächst unberücksichtigt, dass nicht der Nickelgehlalt, sondern dessen Abgabemenge ausschlaggebend für allergische Reaktionen ist. Der bis dahin meist verwendete Edelstahl 316L war demzufolge nicht mehr zugelassen, da dessen Nickelgehalt mit 10-14% die in der Richtlinie vorgegebenen Werte deutlich überstieg. Statt dessen wurde anschließend vor allem auf Titan ausgewichen. Da die Oberfläche von Titan jedoch auch nach intensiver Politur mehrere Unebenheiten aufweist, welche die Ansiedlung von Mikroben und somit Entzündungen begünstigen, galt Stahl trotz der Richtlinie weiterhin als besser geeignetes Material für den Ersteinsatz. Am 27. September 2004[7] wurde die Richtlinie dahingehend geändert, wonach sich die Obergrenzen für Nickel nun an der Nickelfreisetzung orientieren.[8] [9]
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